Zitat:Ist die einfachste mögliche Antwort dann nicht, dass es keinen Widerspruch gibt, es sei denn, man will unbedingt einen Widerspruch darin sehen? Gibt es für diese (freche?) Antworttechnik auch eine philosophisch-wissenschaftliche Bezeichnung?
Klar, gibt es das Apis. Kleine Lektion in Logik? (unten schauen wir uns den 'problematischen' Satz nochmal an).
Also, erstmal gibt es viele Arten des Widerspruchs, und nicht alle sind schlecht (im Gegenteil, ich glaube im Widerspruch, im Dazwischen, im Zwischenraum, in der sozialen Interaktion... entsteht Kreativität, geschieht Schöpfung, ent-wickelt sich etwas...).
Widerspruch 1: Dialektik (nach Hegel)
Habe ich oben bereits erklärt und so ist Seth vielleicht auch zu verstehen. Dialektik ist ein Fortschritt bzw. ein Perspektivenwechsel auf eine 'höhere Ebene', d. h. der Widerspruch hebt sich auf und eine 'höher Ebene' entsteht bzw. wird erfasst.
These vs. Antithese > Synthese
Einehit vs. Trennung > Liebe
Subjekt vs. Prädikat > Satz
Yang vs. Yin > Tao
Oft (immer?) ist die Synthese eine neue These bzw. Antithese. Nach Hegel ist alles Sein dialektisch. Dass es sich um einen rhetorischen Trick handele, hielte ich für eine steile These ;-) Es ist eine Theorie über die Beschaffenheit der Welt.
Widerspruch 2: Kontradiktion (nach Aristoteles)
Die Grundlage unserer (westlichen) Logik, Kontradiktion sei "nicht wissenschaftlich". Zwei sich auschließende Behauptungen:
Wahr ist falsch
A = Nicht A
A ist B, B ist nicht A
Ich bin klug und ich bin dumm.
Alles kontradiktorisch, d. h. falsch. Problem, welches auch Fromm anspricht: Möglicherweise gibt es andere Logiken, die in unserem Denken nicht berücksichtigt werden. Damit zusammenhängend hat Paul Feyerabend in seinem Buch "Wider den Methodenzwang" untersucht, welche Probleme mit dem 'Verbot' der Kontradiktion (und anderer 'Denkverbote' für Wissenschaftler) auftauchen. Viele wissenschaftliche Probleme und Lösungen können gar nicht gefunden werden, weil sie an der Hürde der Kontradiktion scheitern. Während der 'normale' Wissenschaftler Kontradiktion scheut wie der Teufel das Weihwasser, fordert er sie und versucht zu beweisen, dass Galilei auch kontradiktorisch vorgegeangen ist.
Widerspruch 3: Paradox
Kann man nicht in ein paar Sätzen erklären. Es gibt Paradoxa im Sinne von Kontradiktion. Es gibt Paradoxa im Sinne von rhetorischen Tricks, z. B. "Kunden" von "Firmen", die sanktioniert werden ;-). Es gibt scheinbare Paradoxa, die sich nach eingehender Untersuchung und jahrhundertelangem Streit zwischen Philosophen auflösen lassen ;-), oder auch nicht. Z. B: Kann ein allmächtiger Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht heben kann? Dieses Paradoxon löst sich sofort auf, wenn man in die Allmacht Gottes die Aufhebung des Widerspruchs einbezieht, meiner Meinung nach. Es gibt auch Paradoxa, die angewendet werden, um z. B. das logische Denken zu überwinden, welchem wir verhaftet sind (siehe Kontradiktion), z. B. im Zen-Buddhismus. Über Paradoxa kann man Bücher schreiben.
Widerspruch 4: Widerspruch, der aus der Unklarheit von Begriffen entsteht und sich auflöst, wenn die Begriffe klar sind. Mit einem philosophischen Fremdwort kann ich zur Zeit nicht dienen.
Zitat:"Seelen sind auch schöpferische psychische Strukturen. Sie sind ständig in Wandlung begriffen und behalten doch ihre persönliche Integrität immer bei, und alle sind voneinander abhängig.
Du hast Probleme persönliche Integrität und Abhängigkeit zusammenzubringen, nicht wahr?
Also für mich ist persönliche Integrität dann gegeben, wenn ich in Übereinstimmung mit meinem eigenen Willen handeln kann und es auch tue.
Abhängigkeit ist meines Erachtens ein Begriff, der nicht fest ist, sondern Abstufungen besitzt. Es gibt "absolute Abhängigkeit" und "relative Abhängigkeit" (Honneth). Bei der relativen Abhängigkeit gibt es wieder unendlich viele Stufen. Bei einer absoluten Abhängigkeit und bei einer starken relativen Abhängigkeit ist persönliche Integrität verunmöglicht. Wir sind aber
alle in gewissem Sinne abhängig, von Beziehungen, von gesellschaftlichen Verhältnissen, von der Natur usw. Es geht gerade darum
in dieser Abhängigkeit persönliche Integrität und Freiheit zu gewinnen. Unabhängigkeit und Freiheit sind
nicht dasselbe. Unabhängig ist der einsame Wilde, frei der Mensch in Gemeinschaft.
Also, für mich kein Widerspruch, der erst aufgelöst werden müsste, anderseits mit dem Begriff Wesenheit oder Seele etwas, was persönliche Integrität und Abhängigkeit synthetisiert.
Wenn ich dich nicht hätte, Apis.
Alles Gute