Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Was ist Glück?
Hallo Tash,


Tash schrieb:Was man da fühlt (wenn man selbst zum Glück des anderen beigetragen hat) ist genau das, was ich jetzt als "natürlichen Lohn" (im Gegensatz zur "natürlichen" Strafe (schlechtes Gewissen und Reue) bezeichnen möchte, und stellt eine vollkommene Verbindung zum Thema natürliche und künstliche Schuld dar.

Daran musste ich auch denken, als ich das schrieb.

Die Studentin hatte ja sicherlich das gefühl, in Tobis "Schuld" zu stehen, sprich "der hat bei mir was gut", und hatte ein Bestreben nach Ausgleich, was sie durch ihre Freude, ihr Glücksgefühl, das sie auf ihn übertrug und Mercischachel zurückgab.

Ich finde, dies ist mal ein wunderbares positives Beispiel für meine Schuld- und Gewissensdefinition im Ausgleichssinne.
Das zeigt nämlich anschaulich, daß dieser Schuldbegirff und der entstehende "Gewissensdruck" (dieser Begriff ist hier positiv gemeint) so eine Art Öl im Getriebe unserer Kooperation liefern und dafür sorgen, daß die Verbundenheit deutlich wird und das energetisch ausgewogene Miteinander gewährleistet ist.

Liebe Grüße

Kashi
Zitieren
Hallo,

Tash, das war wirklich eine gemeine Frage. Ganz nach meinem Geschmack. Ich hatte da zunächst auch keine andere Antwort drauf als die, die Kashi gab. Es ist auch eine sehr schöne Antwort.

Zum Thema Kooperation passt, dass ich mir für die Ferien endlich mal ein Buch von Peter Kropotkin vorgenommen habe, nämlich "Ethik". Kropotkin ist Philosoph, Vertreter des politischen Anarchismus und Biologe. Er ist einer der wenigen, die Darwin nicht als Konkurrenzkampf interpretieren, sondern als Kooperationsparadigma. Darwin habe nie etwas anderes behauptet.

"Ohne irgendwie zu leugnen, dass die große Mehrzahl der Tiere sich von Arten, die zu anderen Kategorien der Tierwelt gehören, oder von schwächeren Arten derselben Kategorien nährt, wies ich darauf hin, dass der Kampf in der Natur sich meist auf den Kampf zwischen verschiedenen Arten beschränkt, dass aber innerhalb der Art, und sehr oft auch innerhalb der aus verschiedenen Arten zusammengesetzten gemeinsam lebenden Gruppen die gegenseitige Hilfe allgemeine Regel ist".

(Ethik, Peter Kropotkin, 1923)

Wenn das so stimmt, dann hätte ich eigentlich gegen meine Natur gehandelt, wenn ich anders gehandelt hätte, und das hätte mich auf lange Sicht unglücklich gemacht. Erklärt es aber, warum ich ausgesprochen glücklich war? Vielleicht. Vielleicht kam ich in diesem Moment mit meinem wahren natürlichen Wesen in Kontakt, das im altäglichen gesellschaftlichen 'Geschäft' verschüttet bleibt.

Noch ein Gedanke, der damit zusammenhängt: Vielleicht habe ich Sinn gefunden. Die Kooperation ist unsere Anlage, wie Kashi richtig sagte, somit ist die Tätigkeit des Kooperierens ein Sinn, eine Werterfüllung.

Trotzdem ist

Zitat:daß wir erleben, je mehr wir an Schönem und Glücklichem in die Welt hineingeben, desto mehr sind wir auch Teil des Glücksstroms, da wir letztlich alle miteinander verbunden sind.

die schönste Erklärung.

So, während ich nun ein Stück leckere Schokolade esse, schau ich mir mal den "Gewissen und Schuld"-Ordner an.

Liebe Grüße
Zitieren
tash schrieb:
Kashi schrieb:Vermutlich ist es so, daß wir erleben, je mehr wir an Schönem und Glücklichem in die Welt hineingeben, desto mehr sind wir auch Teil des Glücksstroms, da wir letztlich alle miteinander verbunden sind.

VOLLTREFFER :!:

(obwohl da auch noch andere Aspekte dranhängen, aber unterm Strich läuft es genau darauf hinaus ... wusst ich's doch, dass du ein Genie bist :) )

Was man da fühlt (wenn man selbst zum Glück des anderen beigetragen hat) ist genau das, was ich jetzt als "natürlichen Lohn" (im Gegensatz zur "natürlichen" Strafe (schlechtes Gewissen und Reue) bezeichnen möchte, und stellt eine vollkommene Verbindung zum Thema natürliche und künstliche Schuld dar.

Die hier natürlich nicht aufgegriffen werden soll *hihi* (ätsch Apis, nix mit OT)

Beeindruckte Grüße
Tash

Liebe Kashi, liebe Tash,

ich will zwar immer gerne inspirieren, aber dass ich hier sooo guuuut kooperativ mitgeholfen haben soll, euch beide zu derartig tiefen, genialen, vortrefflichen Erkenntnissen zu bringen, kann ich schwer glauben :D

Die von euch beiden hergestellten Verknüpfungen bringen unsere sämtlichen Themen der jüngeren Vergangenheit miteinander in Verbindung, und das in nur zwei postings. EINFACH GENIAL!

-Glück
-Mitgefühl
-Energietransformation
-Aufgaben und Ziele
-Entschleunigung
-Schuld und Gewissen

-und last but not least: Weihnachten

Einzig am Thema Kooperation wäre noch etwas mehr zu tun.
Werde ich mir 2008 mal vorknöpfen (wenn ihr's nicht vorher tut...).
Eine sehr schöne Art, am Jahresende Zwischenbilanz zu ziehen,
einem Seth-Forum würdig.

Sehr, sehr beeindruckte Grüße
Apis

P.S.: Tash, sehr schön, dass Du meine humorvolle Art erkennst (wegen OT)!!! Wegen dem Mitfreuenkönnen: Ist zukünftig erwartetes Glück Teil des mitgefühlten Glücks :idea: Ist das Glück immer "gerecht" verteilt? Sind da vielleicht irgendwelche Ausgleichsmechanismen am Werk?
JUST BE - πάντα ῥεῖ

"When you perform some task without effort and take joy in the task, you will have some slight idea of All That Is." (ESP,Mai 26 1970)
Zitieren
Hallo Tobi,

sehr gute Erklärung von Kashi, in der Tat!!!

Darwin kommt aber bei Seth sehr schlecht weg, meine ich. Ich meine, mich an Stellen zu erinnern, an denen er sich sehr kritisch äußert.

Eventuell der falsch verstandene Darwin, müßte mal ein Biologe unter uns danach sehen (kein Philosoph... :D )...

Apis

P.S.: Uuuh, Schokolade, so kurz vor'm Mittagessen?? :shock:  :)
JUST BE - πάντα ῥεῖ

"When you perform some task without effort and take joy in the task, you will have some slight idea of All That Is." (ESP,Mai 26 1970)
Zitieren
Hallo,

wie wärs denn mit einem schönen neuen Ordner zum Thema "Kooperation", den wir uns als Kooperationsprojekt kooperierenderweise zu Weihnachten schenken? [Bild: f060.gif]

Liebe Grüße

Kashi
Zitieren
Dann machen wir doch hier weiter.
Zitieren
In gewissem Maße lernt Ihr fortwährend, Euer Verhalten zu überwachen/zu kontrollieren, damit es mit den für eine gesunde oder rationale Erfahrung etablierten Kriterien übereinstimmt. Ihr seid, ebenso wie die Tiere, soziale Kreaturen. Trotz vieler Eurer geschätzten irrigen Glaubenssätze existieren Eure Nationen als Ergebnis von Kooperation und nicht von Wettbewerb, wie dies alle sozialen Gruppierungen tun
Sitzung 758 Die Natur der Psyche

Ihre (Reinkarnations-) Realität dient jedoch dazu, Aktivität durchgehend durch das Gefüge der Zeit zu generieren, um die Spezies zu verbinden, um Wissensstrukturen zu verstärken und Information zu übermitteln und vielleicht am meisten, um Beziehungen zu verstärken, die Liebe, Brüderlichkeit und Kooperation zwischen Generationen von Männer und Frauen betreffen, welche andernfalls ziemlich getrennt und entfernt von einander wären. Mittels solcher Beziehungen stehen beispielsweise die Höhlenbewohner und die Menschen des 22. Jahrhunderts auf Du und Du, während in strikt zeitlichen Begriffen die Spezies ziemlich weit entfernt von ihren früheren oder späteren Gegenstücken zu sein scheinen.
Sitzung 931 Träume, Evolution and Werteerfüllung, Band 2
Zitieren
Ich habe was gefunden, was mir absolut zusagt und das in eine Richtung geht, in die ich auch schon dachte. Er nahm mir die Worte sozusagen (teilweise) aus dem Mund, hat es aber noch weiter gesponnen. Dies präsentiere ich euch jetzt nicht, da ich euch noch auf die Folter spannen will :twisted:

Aber ich habe noch eine kleine Perle gefunden, die auch dazu passt, dass man "seine kleine Nische" (Kashi) finden muss, in einer verrückt gewordenen Welt. Diese Perle kommt seltsamerweise von Thodor W. Adorno, der genau wie Fromm, aus der "Frankfurter Schule" kommt und somit logischerweise sehr gesellschaftskritisch und kulturpessimistisch ist und somit zu ähnlichen Analysen kommt, wie ich sie teile. Aber anders als Fromm und ich hat er sich immer mehr in den Pessimismus verkrochen und hatte keine Alternativen zu bieten, wollte sie nicht bieten. Der Satz aus seiner "Minima Moralia", der ihn am berühmtesten machte, war: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Übersetzt: Die Gesellschaft ist Müll, unsere Kultur ist Müll, und du kannst dich winden wie du willst, du scheiterst bei dem Versuch eines guten Lebens.

Aber an einer Stelle las ich was, was uns dann doch sagt, was wir tun können. Man muss da nur sehr stark aufpassen, dass das in der ganzen scharfsinnigen Analyse Adornos nicht verloren geht. Ich fand diesen kleinen Aphorismus klasse:

"Ob einer glücklich ist, kann er dem Winde anhören. Dieser mahnt den Unglücklichen an die Zerbrechlichkeit seines Hauses und jagt ihn aus leichtem Schlaf und heftigem Traum. Dem Glücklichen singt er das Lied seines Geborgenseins: sein wütendes Pfeifen meldet, dass er keine Macht mehr hat über ihn."

(Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus einem beschädigten Leben, 1951).

Alles Gute
Zitieren
Tobias schrieb:"Ob einer glücklich ist, kann er dem Winde anhören. Dieser mahnt den Unglücklichen an die Zerbrechlichkeit seines Hauses und jagt ihn aus leichtem Schlaf und heftigem Traum. Dem Glücklichen singt er das Lied seines Geborgenseins: sein wütendes Pfeifen meldet, dass er keine Macht mehr hat über ihn."

(Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus einem beschädigten Leben, 1951).

Tobi, das ist wirklich sehr schön. Diese poetischen Gedanken sollte man kaum hinter einer eher pessimistisch orientierten Weltsicht vermuten.

Liebe Grüße
Hologramm

PS
Spann uns nicht zu lange auf die Folter [Bild: 4587.gif]
Zitieren
Sehr schön. Passt.

Alles Einstellungssache. Die individuelle Sicht der Dinge entscheidet.

Die Seele, die durch uns sieht.


:D
JUST BE - πάντα ῥεῖ

"When you perform some task without effort and take joy in the task, you will have some slight idea of All That Is." (ESP,Mai 26 1970)
Zitieren
Für mich ist Glück, wenn meine Seele Purzelbäume schlägt.

Heute hatte ich so einen Moment, der mich ganz durchdrungen hat, in dem ich Glück bis in jede Faser meines Seins gefühlt habe.

Ich habe meinen Hund beobachtet, der sehr krank ist und wohl nicht mehr lange hier auf dieser Ebene lebt.

Er ist auf schwachen Beinen in den Garten gelaufen und hat die Sonne genossen, an den Sträucher gerochen und aus einer Pfütze getrunken.
Immer wieder hat er dabei den Blickkontakt zu mir gesucht, als ob er mir sagen wollte, das es ihm gut geht.

Es war so schön ihn zu beobachten, als er sich in alter Manier den Rücken an einem Busch gerubbelt hat und ich ganz tief fühlen konnte, dass er in diesem Moment sein Leben genossen hat.

Dieses Glück hat für mich auch etwas mit loslassen zu tun, auch mit einer tiefen Traurigkeit, eben mit dem Gedanken, ihn bald nicht mehr auf dieser Ebene um mich zu haben. Vielleicht war dieser kurze Moment heute Mittag, deswegen so etwas Besonderes für mich, was meine Seele tief berührt hat, denn mir ist dabei klar geworden, dass jeder Moment wertvoll ist, da er einzigartig und unwiderbringlich ist.

Ich merke gerade, das mein Hund mir heute ein Geschenk gemacht hat. Man er wird mir so fehlen, er ist eine wirklich tolle Seele.
Ein Frosch, der im Brunnen lebt, beurteilt das Ausmaß des Himmels nach dem Brunnenrand (aus der Mongolei--------könnte aber auch von mir sein ;-)
Zitieren
Hallo liebe Angie,

das freut mich jetzt sehr, dass Balu dir dieses Glücksgefühl vermittelt und es ihm etwas besser geht.
Lieben Gruß Laira
Der Weise beherrscht seine Sterne.
Zitieren
Liebe Laira

es geht ihm nicht besser, im Gegenteil, wir werden wohl dieses Wochenende Abschied von ihm nehmen müssen.

Ich drück dich, wir telefonieren die Tage mal.

Angi
Ein Frosch, der im Brunnen lebt, beurteilt das Ausmaß des Himmels nach dem Brunnenrand (aus der Mongolei--------könnte aber auch von mir sein ;-)
Zitieren
Ich weiß jetzt, was Glück ist und habe einen Essay drüber geschriebn. Da das Forum einen erheblichen Anteil daran hatte und ich den Prozess ordnungsgemäß abschliessen will, kopiere ich ihn hier rein.

Das existentielle Ja zum Leben
Lebenskunst zwischen Individualität und „Zoon Politikon“



Inhaltsangabe


1 Einleitung 3
2 Die Philosophie der Lebenskunst 3
3 Schluss 9
4 Literaturverzeichnis 12


1 Einleitung

Ich möchte mich in diesem Essay mit der Lebenskunstphilosophie von Wilhelm Schmid beschäftigen. Sein Buch „Philosophie der Lebenskunst – Eine Grundlegung“ beschäftigt sich sowohl mit der „Philosophie als Lebenskunst“ als auch mit der „Philosophie der Lebenskunst“. Ich werde zunächst den Inhalt dieser Grundlegung für eine Philosophie der Lebenskunst interpretatorisch darstellen. Dabei musste ich die Stichpunkte wählen, die mir am wichtigsten erschienen. Ich habe bei dieser Wahl die Nichtgewählten ausgegrenzt, wie das eben bei einer Wahl, ganz im Sinne von Wilhelm Schmid, ist. Diese Wahl ist dennoch nicht beliebig. So lauten denn auch die Stichworte, die ich wählte: „Individuum vs. Individualismus“, „Kunstwerk“, „Macht“, „Das Selbst und das Andere“, „Kultur der Sorge“, „Moralistik und Ethik“ „Bürger“, „Politisches Wesen“, „Wahl“ und „Urteilsbildung und Klugheit“. Anschließend werde ich den Text innerhalb, und ein wenig außerhalb, des gewählten Rahmens bewerten.

2 Die Philosophie der Lebenskunst

Wilhelm Schmid macht einen neuen Imperativ aus, der für die Lebenskunst gelten soll: den existentiellen Imperativ, der da lautet: Gestalte dein Leben so, dass es bejahenswert ist.

Dieser Imperativ impliziert bereits die „Renaissance des Individuums“. Eine Lebenskunst muss vom Individuum her gedacht werden, was aber nicht bedeutet, dass dieses Individuum sich in einem solipsistischen Universum befindet. Eine wichtige Unterscheidung ist für Schmid diejenige zwischen ‚Individualismus’ und dem ‚Individuellen’. Beim Individualismus ist das Individuum fixiert auf sich selbst, es ist egozentrisch und engstirnig. Das reflektierte Individuum erkennt, dass das individuelle Leben in die Gesellschaft eingebettet und von Anderen und Anderem abhängig ist. Nur von diesem realistischen Startpunkt aus, kann das Individuum sich denken, sein Selbst gestalten und, in Anlehnung an Foucault, sein Leben zu einem Kunstwerk machen.

Der Begriff des Kunstwerkes deutet schon eine Verschiebung des Fokus an, den Schmid im Sinne hat. Nicht das gute Leben ist das Ziel der Lebenskunst, sondern ein ‚schönes’. Die „Ästhetik der Existenz“ begründet die vielen Farben, die nötig sind, um dem Bild des Lebens Gestalt zu geben. Ein Kunstwerk ist aber angewiesen auf Hermeneutik und Interpretation. So kann denn auch nur das Subjekt selbst das Kunstwerk als schön empfinden, ergo: es bejahen. Was aber schon angedeutet wurde und später noch klarer wird: nicht in der Vereinzelung findet das Kunstwerk Leben statt, sondern vielmehr ist das Finden des subjektiv Schönen immer auf einen intersubjektiven Suchprozess angewiesen und das subjektiv schöne Bild kann nur in einen intersubjektiven Rahmen eingebettet sein. So ist denn auch der Begriff des „guten Lebens“ nicht komplett verworfen, sondern nur relativiert.

Ein zentraler Aspekt des Kunstwerkes Leben, welches bei Schmid immer ein reflektiertes Leben ist, es muss bejaht werden können, ist der der ‚Macht’, insbesondere der „Selbstmächtigkeit“. Weder eine rigorose Ablehnung der Macht noch der unbedingte „Wille zur Macht“ kann dem reflektierenden Individuum genügen. Es geht für das Subjekt darum, Macht zu gewinnen und sich so Freiräume zu schaffen und kreativ mit dieser Macht zu gestalten, zu lernen mit Macht verantwortungsvoll umzugehen und sich selbst mit Rücksicht auf andere und anderes zu beschränken, und in der Rolle als „Zoon Politikon“, als politisches Wesen, sich zu bemühen die Macht der ‚Mächtigen’ zu kontrollieren und gegebenenfalls zu begrenzen sowie selbst politische Macht auszuüben.

Für das reflektierende Individuum steht es zu Gebote „Macht über den eigenen Machttrieb zu haben“ (Schmid 2006, S. 166). Das Individuum ist in Strukturen eingebettet, die aufgeklärt werden müssen, damit Lebenskunst gelingen kann. Zur Aufklärung von Machtstrukturen, kann das Individuum sich nach Schmid folgende Fragen stellen: „1. Wie funktionieren die Machtstrukturen allgemein in der bestehenden Gesellschaft? 2. Was ist die besondere Macht Anderer über mich, was ist angesichts dessen meine Ohnmacht? 3. Was ist meine eigene Macht über mich und meine Ohmacht in Bezug auf mich selbst? Was ist meine Macht über Andere und demzufolge deren Ohmacht?“ (ebd., S. 150).

Man sieht an diesen Fragen, dass die Machtstrukturen und das legitime Streben nach Macht in keinem Fall als das Ausleben von überheblichen Allmachtsphantasien verstanden werden kann. Selbst wenn wir ‚kleine Götter’ sein oder werden sollten, so stehen wir doch in Wechselwirkung mit den anderen ‚kleinen Göttern’ und ein Gott hat neben der Macht auch noch die Klugheit, das Mitgefühl, die Liebe und das Verantwortungsgefühl, die Macht nicht zu missbrauchen. Prinzipiell ist das Ziel der Lebenskunst „die Umkehrbarkeit von Machtbeziehungen zu erreichen oder aufrecht zu erhalten, und Herrschaftszustände zu vermeiden“ (ebd., S. 151). Diese Unterscheidung führt Schmid auf Foucault zurück, der sich in seinen Arbeiten intensiv mit Machtstrukturen beschäftigt hat. Herrschaft ist einseitig, starr und gewalttätig, Macht ist potentiell umkehrbar, vielfältig und dynamisch. Jedes Subjekt hat die Möglichkeit, im Rahmen der Wechselbeziehungen zu Anderen, seine Selbstmächtigkeit auszuformen.

Was aber ist das Selbst, dass das Potenzial zur Mächtigkeit hat? Schmid meint hier ein „selbstreflexives Selbst“, welches sich gegebenenfalls aus den zunächst vorgegebenen Strukturen lösen kann, sich aber gleichzeitig in diese Strukturen einfügt, wenn dies bejahenswert ist, was wiederum auf die Wichtigkeit der Aufklärung von momentan gegebenen Strukturen aufmerksam macht. Das Selbst umfasst das „Ich“, das momentane und spontane Sprechen aus der unreflektierten Gegebenheit heraus, und das „Sich“, das den Aspekt des reflektierten Selbst verkörpert, welches dann erst über „sich selbst“ sprechen kann. Selbstbewusstsein ist nur in einem Vollzug der Differenzierung möglich, ähnlich wie es die Theorie der kognitiven Entwicklung von Piaget zeigt. Der Säugling lebt noch in der Einheit von Ich und Welt und das Kind entwickelt sich in einem Prozess von „Assimilation und Akkommodation“ langsam immer weiter aus dieser Ich-Welt hinaus, was wiederum in der Fähigkeit zu urteilen und im bewussten werten gipfelt, und den Charakter eines autonomen, selbstmächtigen Wesens darstellt (Kegan 2007, S. 226–243). „Das Sich-Selbst ist die Verdopplung des Ich-Selbst im Denken“ und der Blick von außen auf das Selbst wird möglich. Deshalb ist das Selbstbewusstsein für Schmid die „Selbstbeziehung I“. Die „Selbstbeziehung II“ (Schmid 2006, S. 239-241) ist die Selbstgestaltung, die er „ethisch-asketisch“ als Arbeit am Selbst verstehen will. Das Einwirken auf sich, um sich zu formen und zu transformieren, ist nur durch die Selbstbeziehung I möglich geworden. Das, was Schmid verpasst hat Selbstbeziehung III zu nennen, ist die Selbstbeziehung zum Anderen. Ich bin nur vollständiges Selbst in Bezug zu Anderen, wobei Schmid betont, dass der Andere nicht einfach ein reflektierender Spiegel sei, sondern selbst Selbst, welches eine Selbstbeziehung I, eine Selbstbeziehung II und eine Selbstbeziehung III hat.

Ein Ziel der Lebenskunst sei die „Kohärenz des Selbst“ (ebd., S. 252), das er kritisch von einer „Identität“ abhebt, die er explizit mit einer Ideologie des „Sich-selbst-gleich-Bleiben“ identifiziert. Die Kohärenz ist das Gefüge, was den vielen Aspekten des Ichs Rechnung trägt und ein vielfarbiges Selbst in einen wechselwirkenden Zusammenhang stellt. Schmid stellt sich das kohärente Subjekt „als vierdimensional aufgespanntes Netz, das ein Innen hat, da das Subjekt selbst in sich ein Universum ist, und ein Außen, da es seinerseits universell vernetzt ist mit Anderen und Anderem“ (ebd., S. 255) vor. Es ist die „Integration des Anderen“ (ebd., S. 252), des Anderen in mir, des Anderen als andere Selbst und das Andere in ökologischer und gesellschaftlicher Hinsicht, was die „Kultur der Sorge“ (ebd., S. 249) befördern soll.

Eine neue Kultur der Sorge fordert Schmid nämlich. Eine ‚Sorglosigkeit’ wie sie in der Lebensratgeberkultur mit Titeln wie „Sorge dich nicht – lebe!“ zum Ausdruck kommt, verleugnet das wesentliche Merkmal einer Lebenskunst: die Veränderlichkeit. Der „mutative“ Charakter der Sorge, die Selbst-Verbesserung, wurde in der modernen Kultur der ‚Mangement-Lebenskunst’ ebenso ent-sorgt wie der altruistische Aspekt der Sorge, der oft despektierlich als „Helfer-Syndrom“ interpretiert und entwertet wird, wie der pädagogische Aspekt der Sorge, der sich darum sorgt dem Anderen den Weg zur Autonomie und Selbstmächtigkeit zu zeigen, und der politische Aspekt der Sorge, der die Sorge um die Gesellschaft zum Thema hat. Die „Entsorgungsmentalität“ sei aufzugeben, um einen weiteren Gesichtspunkt der Lebenskunst wieder wahrzunehmen, die Moralistik.

Moral ist für Schmid zunächst „die Geltung und Befolgung heteronomer Pflichten“ (ebd., S. 60), die die Egozentrik des Menschen überwindet und ihn in dreifacher Hinsicht aufhebt: das Individuum ist aufgehoben in Gott, in der Gemeinschaft und in der Natur. Traditionell wird aus diesen drei Instanzen das unbedingte „Du sollst“ abgeleitet, welches in der Moralistik seine Hinterfragung und sein Reflexivwerden erfährt. Seit der Aufklärung erfuhr der Begriff der Moral eine Wendung vom autoritären Sollen zum „Sollen aus freier Einsicht“ (ebd., S. 61). Die Selbstgesetzgebung des Individuums macht es jedoch nicht ‚wertfrei’, nicht Nihilismus kann die Konsequenz der Freiheit sein, sondern vielmehr eine Neuorientierung, eine reflexive Haltung gegenüber Werten und ein bewusstes urteilen und werten aus sich selbst heraus.

Die Ethik hat für Schmid drei Komponenten, die er Ethik I, Ethik II und Ethik III nennt: Die Ethik I ist die prinzipiengeleitete Ethik, die das Subjekt dazu auffordert, sich Maximen zu erarbeiten, die potentiell Allgemeingültigkeit und Universalität beanspruchen können, indem sie Verfahrensprinzipien herstellen. Traditionelle Ansätze sind Kants kategorischer Imperativ oder das „Prinzip des größten Glücks der größten Zahl“ des Utilitarismus. Die Ethik II betrifft die angewandte Ethik, die praktische Ethik, die konkret als Bereichsethiken auftauchen. Beispiele dafür sind die Sozialethik, die Wirtschaftsethik, die Wissenschaftsethik, die Medizinethik, die Technikethik, die Bioethik und die ökologische Ethik. Die Ethik III ist eine unabdingbare Ethik, die die beiden anderen Ethiken ergänzt und ihnen im und durch das konkrete Leben des Individuums Wirkung verschafft: die Individualethik. Es ist die „Ethik der Wahl, die eine individuelle Haltung und eine eigenverantwortliche Lebensführung begründet“ (S. 67).

Von der Moral aus lässt sich direkt eine Brücke zum Begriff des Bürgers schlagen. Hier lehnt sich Schmid an die Unterscheidung Jean-Jacques Rousseaus zwischen Bourgeoise und Citoyen an. Der kapitalistische Bourgeoise erschöpft sein Dasein in der Sorge um sich selbst und, vielleicht noch, um die Seinen. Weder der Andere noch die Gesellschaft haben für ihn irgendeine Bedeutung, außer dass er sich ihren Zwängen als ‚Untertan’ unterzuordnen hat. Der Bourgeoise steht außerhalb des Gemeinwesens. Der Citoyen ist dagegen der gestaltende Bürger, der sich einmischende Bürger, der politisch denkende Bürger. „Das geht mich nichts an“ ist gegebenenfalls auch von ihm zu hören, weil es der Klugheit entspricht, denn niemand kann sich um alles kümmern, jedoch ist es kein Prinzip für ihn, es ist nicht die unausgesprochene Regel der Ignoranz, wobei auch gelegentliche Ignoranz ein Teil der Lebenskunst sein kann. Der Bürgersinn, die „Citoyenität“, die zu fördern sei, könne sich nicht allein aus einem „Verfassungspatriotismus“ speisen, Schmids Identitätskritik wird hier bezüglich des Begriffes „nationale Identität“ fortgeführt, sondern muss von einer intrinsischen Motivation geprägt sein, die vielleicht nicht ‚hergestellt’ werden kann, aber durch eine ‚Erziehung zum guten Staatsbürger’ angeregt werden kann. Als Ergebnis dieser Erziehung steht das autonome Individuum, das Zivilcourage zeigt und autonom seine gewonnene Selbstmächtigkeit für die Gestaltung der Gesellschaft in die Waagschale wirft. Die Sorge um die Gesellschaft ist ein integrierter Teil der Lebenskunst des reflektierenden Individuums.

Der Citoyen als Individuum der Lebenskunst ist ein politisches Wesen. Was die Aufklärung von Machtstrukturen, auch politische Machtstrukturen, mit Lebenskunst zu tun hat, wurde schon angedeutet. Die „Kunst der Macht“ im Politischen ist eine „Politik der Lebenskunst“ als „Kunst des Möglichen“ (ebd., S. 154). Die Politik der Lebenskunst sei eine „pragmatische Utopie“ (ebd., S. 155), die realistisch abschätzt, dass sich Verhältnisse nicht von heute auf morgen ändern lassen. Gleichwohl ist die Utopie der Glaube an eine Veränderung und in dem Sinne revolutionär (im Rahmen der Diskussion um Machtstrukturen lehnt Schmid den Begriff ab, ich denke aber, dass er im Sinne von „Umwälzung“, im politischen Denken nicht ausgeschlossen werden darf), als dass sie mit Phantasie und Visionen einen anderen Ort wünscht, einen Nicht-Ort, was die Wortbedeutung der „Utopie“ ist, der als Ort denkbar wird, an dem zwar nicht alles positiv ist, aber doch das ‚Ideale’ realisiert wird. „Pragmatische Utopie“ deshalb, weil man sich bis zur Revolution mit der Verbesserung einzelner Punkte zufrieden geben muss, mit dem langsamen Voranschreiten zum Besseren. Der „Zoon Politikon“ merkt vielleicht vor lauter Empörung, diesem wichtigen politischen Gefühl, das immer wieder neue Anstöße zur Veränderung gibt, nicht, dass die Umwälzung der Verhältnisse schon Wirklichkeit geworden ist, dass die Vision selbst bereits die Revolution bewerkstelligt hat. Alle Veränderung, ob revolutionär oder reformerisch, kann jedoch nur im Rahmen einer demokratischen Gesellschaft stattfinden, welche das Wahlrecht für jeden Bürger zum obersten Prinzip hat. Demokratie ist das „System der Wahl“ (ebd., S. 232).

So ist denn auch das Mittel, das Selbstmächtigkeit in konkrete Umsetzung überführt, der „Akt der Wahl“ (ebd., S. 166). Die Wahl also nicht nur im politischen Sinne, sondern auch im individuellen Sinne. Schmid macht drei Dilemmata in Bezug zur Wahl aus. Das erste Dilemma ist die Wahlfreiheit überhaupt. Wählen zu müssen ist ein ‚Schicksal’: das Subjekt ist mit der Ausbildung des Selbst in einen Wahlzwang geworfen. Die Nichtwahl ist zwar eine Option, aber schließlich ist die Nichtwahl ebenfalls eine Wahl, nämlich die Wahl der Nichtwahl. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass wir keine Wahl haben: wir müssen wählen. Das zweite Dilemma ist denn auch, nicht wählen zu können, was als erstes den oben genannten Grund hat. Ein weiterer Grund liegt darin, dass nicht ganz klar ist, was eigentlich eine Wahl ist. Die unendliche Zahl von Wahlmöglichkeiten versperrt den Blick auf die ‚realen’ Wahlmöglichkeiten, die abzugrenzen wären von den festgefügten Strukturen, die sich entweder nur langsam ändern lassen, und zwar mit der Wahl einen langen und steinigen Weg gehen zu wollen, oder sich gar nicht ändern lassen. Ebenso müssen die Kriterien für eine Wahl zunächst durchschaut werden, oder man stolpert blind von Wahl zu Wahl, was das Nichtwählenkönnen nochmals manifestiert. Ein drittes Dilemma festigt die scheinbar schier ausweglose Situation: eine Wahl impliziert das verzichten müssen. Indem man eine Möglichkeit wählt, muss man auf die anderen nicht gewählten Möglichkeiten verzichten.

Haben wir denn nun eine Wahl? Ja, zumindest haben wir strukturell eine Wahl, die Schmid „Fundamentalwahl“ im Gegensatz zur „Einzelwahl“ nennt (ebd., S. 208), denn die Wahl ist bei all den Schwierigkeiten der „Kern der Selbstmächtigkeit“ (ebd., S. 192) und die Ästhetik der Existenz beruht auf einer reflektierten Wahl. Voraussetzung dafür ist wieder die Aufklärung über die Bedingungen, die Strukturen und die Zusammenhänge der Wahl. Eine Wahl muss sodann „heranreifen“ in der „Beratung mit sich selbst“ und in der „Beratung mit Anderen“ (ebd., S. 200).

Der Prozess, der die Wahl letztendlich ermöglicht, ist die Urteilsbildung, die Schmid in einem eigenen Kapitel behandelt. „Sensibilität und Gespür, Reflexivität und Urteilsbildung“ (ebd., S. 221) sind die Grundlagen der Wahl, die wiederum Grundlage der Selbstmächtigkeit ist. Die Klugheit im aristotelischen Sinne ist wiederum der Begriff, der dies alles zusammenführt. Sie ist ein Ort des „Zwischen“, welches seinen Endpunkt aber nicht in einem ‚Entweder – Oder’, sondern in einem ‚Sowohl - Als auch’ findet: zwischen oberen (kognitiven) und unteren (sensitiven) Fähigkeiten, zwischen Denkvermögen und Sensibilität, zwischen Verstand und Wahrnehmung, zwischen Erkenntnis und Erfahrung liegt Klugheit, entsteht Einsicht und Urteilsvermögen.

3 Schluss

Es ist recht schwierig Schmids Argumentation anzugreifen. Die Philosophie der Lebenskunst, die er vor uns entfaltet ist logisch stringent und intuitiv einleuchtend. Dennoch möchte ich, bevor ich mit der positiven Bewertung fortfahre, drei einzelne Kritikpunkte anmerken, die der Philosophie als Ganzes jedoch keine Schwierigkeiten bereiten.

Der erste Punkt ist, dass er aus meiner Sicht zu wenig auf die Problematik der Nichtwahl eingeht, will heißen, er erkennt die Nichtwahl zu sehr als Option, nicht als Problem. Ich stimme darin überein, dass die Nichtwahl sowohl individuell als auch politisch gelegentlich eine legitime Wahl sein kann, es fehlt mir jedoch der ausführliche Hinweis darauf, dass eine zum Prinzip erhobene Nichtwahl individuell wie politisch fatal ist und zum Kreis des intersubjektiv moralisch Verwerflichen gehört. Eine individuelle Nichtwahl, zum Prinzip erhoben, endet im Fatalismus. Die politische Nichtwahl, die nicht beim einmaligen Denkzettel für Parteien und Politiker stehen bleibt, zum Grundsatz wird, sei es aus Interesselosigkeit oder aus Trotz, ist nicht nur Fatalismus, sondern eine Stimme gegen die Demokratie. Schmid zählt in einem eigenen Kapitel die „Arten der Wahl“ auf (ebd., S. 205-215). Ich möchte diesen Arten der Wahl eine ‚Intuitivwahl’ beistellen, die dann zum Tragen kommen kann, wenn keine Entscheidungsfindung erfolgreich war oder eben noch gar nicht versucht wurde. Die Intuitivwahl wählt etwas, sie wählt nicht nichts, und besitzt trotzdem Legitimität, verliehen durch eine ‚innere Führung’. Es ist besser ein Kreuz bei irgendeiner Partei zu machen als gar keins. Und es ist besser aufzustehen, um irgendetwas zu tun als dauerhaft sitzen zu bleiben und nichts zu tun.

Der zweite Kritikpunkt betrifft Schmids Kritik bezüglich der Identität. Mir wurde nicht ganz klar, wo Schmid hier die Probleme gesehen hat. Die „Kohärenz des Selbst“, welches ich unterstütze, kann doch ebenso idntitätsstiftend sein wie eine „nationale Identität“ erarbeitet werden könnte, die sowohl über den „Verfassungpatriotismus“ und die „Leitkultur“ hinausgeht als auch die problematischen Implikationen des „Nationalen“ bearbeitet und verbessert, gerade im Bezug zum Begriff des „Anderen“ z. B. bei Charles Taylor (Taylor 1993, S. 14–71).

Eine seiner „Übungen und Techniken der Lebenskunst“ (sie gehörten zum Nichtgewählten in meiner Darstellung), sei das „Negativ denken“ (Schmid 2006, S. 281-286). Auch wenn ich diese Trotzreaktion auf die Plattitüde des krampfhaften „Positivdenken“ verstehen kann, so würde ich das „Negativdenken“ als Technik dennoch nicht empfehlen, denn es ergibt sich die Gefahr, dass sich der Kreisel plötzlich in die andere Richtung dreht, und es für das Individuum schwierig wird, die schwindelerregende Talfahrt wieder zu stoppen. Im Ergebnis wird das Subjekt vielleicht in Selbstmitleid ersticken, in Depressionen versinken und ‚selbsterfüllende Prophezeiungen’ heraufbeschwören. Es wird bei Übertreibung der Technik am Ende in Bitterkeit und Hartherzigkeit leben, und nicht, wie von Schmid erhofft, die Furcht vor Niederlagen verlieren, sondern von jedem Versuch zum Erfolg von vornherein Abstand nehmen.

Dieser dritte Kritikpunkt zeigt dennoch, warum die Philosophie Schmids insgesamt als wichtige Grundlegung für eine Lebenskunst zu bewerten ist. Die moderne Suche nach dem Glück enthält nur noch die Plattheiten des „Positiven Denkens“, die Manager-Lebenskunst, einen materiell-kapitalistischen Hedonismus, die Sorge-dich-nicht-lebe-Mentalität und allerlei andere esoterische Apathien. Der „Zwang zum Glücksein“ (Kant zitiert nach Schmid 2006, S. 382) wird verschrieben, die Aufklärung wird verklärt mit der Erklärung, dass Kritik und Selbstkritik ‚negative Energien’ manifestieren. So wird das ‚unpolitische Wesen’ gerechtfertigt und versumpft in einem Heile-Welt-Brei.

Im Gegenzug dazu entfaltet Schmid eine Suche nach dem Glück im Sinne der „Eudaimonia“. Zunächst einmal wird die unbedingt notwendige Kritikfähigkeit betont, die die Welt als veränderbar voraussetzt und in der das Individuum sagen darf: „Das gefällt mir nicht, das muss sich ändern!“ Dann gehört ein autonomes und selbstmächtiges Individuum zum schönen Leben, welches die Verantwortung für sich und andere bereit ist zu übernehmen. Die Sorge um den Anderen, insbesondere dem Schwächeren, und dem ökologischen Anderem, ist nicht mehr nur ein Zwang aus gesetzlicher Notwendigkeit, sondern ein Anliegen des Subjekts selbst, um ein ästhetisches Leben zu gestalten. Die Tendenz zur Vereinzelung wird aufgehoben und Werte werden nicht mehr nihiliert. Das gesellschaftliche Leben ist ebenso politische Aufgabe wie das individuelle Leben.

Das schöne Leben sollte bejahenswert sein. Dies ist nur in einem erfüllten Leben möglich, was nicht unbedingt ein leichtes Leben sein muss. Das Genießen der Lüste wird von Schmid nicht abgelehnt, sondern bekommt eine eigene „Technik der Lebenskunst“. Im Gegensatz zur modernen Lebenskunst ist es aber erlaubt, unglücklich zu sein. Das, was das Leben auch lebenswert macht, wird nicht verneint, nämlich durch schwere Zeiten zu gehen, zeitweise zu leiden, Krisen zu durchleben, Herausforderungen anzunehmen, Opfer zu bringen etc. Diesbezüglich ist auch das Konzept des Lebens als Kunstwerk zentral. Ein Maler malt sein Bild nicht von heute auf morgen. Abgesehen von der technischen Vorbereitungszeit und der kreativen Inkubationszeit, braucht er Tage, Wochen, Monate, vielleicht Jahre in Kleinstarbeit, von Tupfer zu Tupfer, von Pinselstrich zu Pinselstrich, vielleicht muss er es des Öfteren komplett verwerfen und von Neuem beginnen, um am Ende sein Bild bejahen zu können.

Genauso können wir unser Leben, individuell und gemeinsam, nach dem existentiellen Imperativ entwerfen: Gestalte dein Leben so, dass es bejahenswert ist.

So kann das Individuum am Ende eines Lebens auf die Frage, ob es schön gewesen sei, aus voller Kehle mit einem „Ja!“ antworten.

4 Literaturverzeichnis

Kegan, Robert (2007): Die Entwicklung des Menschen aus der Sicht Piagets. In: Baumgart, Franzjörg (Hg.): Entwicklungs- und Lerntheorien. Erläuterungen - Texte - Arbeitsaufgaben. Nachdr. der 2., durchges. Aufl. Bad Heilbrunn: Klinkhardt (Studienbücher Erziehungswissenschaft, Band 2), S. 226–243.

Schmid, Wilhelm (2006): Philosophie der Lebenskunst. Eine Grundlegung. [9. Aufl.]. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 1385).

Taylor, Charles (1993): Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer.
Zitieren
Hallo Tobias,

auch wenn ich Wilhelm Schmid nicht kenne und deshalb keine Vergleichsmöglichkeit habe, finde ich Deine Ausarbeitung ganz hervorragend!

Eine kleine Anregung, einen weiteren Kritikpunkt in Deine Überlegungen aufzunehmen, könnte in seiner Aussage sein, daß die Entwicklung des Kindes in der Fähigkeit zu urteilen und im bewußten Werten gipfelt.
Im Sinne von Lebenskunst, in der von ihm geschilderten Form, sollte zumindest das bewußte Werten als Wahl erkannt werden, da m.E. erst dadurch die Wahl anderer nicht als minderwertig be- und verurteilbar wird, was zu seiner Auffassung zum Umgang mit Macht, zu der auch Mitgefühl und Liebe gehört, wesentlich wäre. Auch Altruismus und Vermeidung des echten Helfer-Syndroms sind nur auf der Basis der Gleichwertigkeit möglich.

Der Stoff, den Du uns hier bietest, ist so komprimiert und interessant, daß ich ihn mir nochmals in aller Ruhe vorknöpfen möchte. Ob ich danach detailliertere Kommentare abgeben kann, weiß ich noch nicht. Doch schon jetzt kann ich sagen, daß ich ganz begeistert von Deiner Arbeit bin.

Liebe Grüße
Hologramm
Zitieren
Hallo Tobi,

gefällt mir auch sehr gut!

Liebe Grüße

Kashi
Zitieren
Hallo Hologramm,

zunächst muss ich sagen, dass es natürlich meine Draufsicht auf Schmid und die Lebenskunst überhaupt ist und insofern keine 'objektive' Darstellung. Ihr könnt dementsprechend den ganzen Text als Stellungnahmen nehmen.
Dass die Entwicklung des Kindes in der Fähigkeit zum werten und unrteilen gipfelt ist wiederum eine Interpretation meinersteits, auf der Grundlage der Theorie der kognitiven Entwicklung von Jean Piaget, die Literaturangabe habe ich dabeigeschrieben, ohne dass ich natürlich tiefer auf Piaget und seine Schwächen eingehen wollte/konnte.

Um da nochmal klar Stellung zu beziehen: Ich rümpfe immer etwas die Nase, wenn irgendwo geschrieben wird, man solle nicht werten oder urteilen. Doch! Genau das soll man tun, weil genau das das Zentrum ist, aus dem wir unsere werterfüllende Realität erschaffen. Das heißt nicht, dass ich unbedingt ver-urteilen muss. Aber ich sollte sagen können: "Das finde ich richtig oder falsch", "das finde ich schön oder hässlich", "das ist gut oder schlecht".

Ich bin mir nicht sicher, ob das "echte Helfersyndrom" nicht eine Chimäre der modernen Kultur ist. Hatte Mutter Theresa ein Helfersyndrom? Wahrscheinlich! Zum Glück hatte sie eins. Ich muss aber zugeben, dass ich mich bisher nicht sehr mit dem Helfersyndrom beschäftigt habe und insofern nicht weiß, inwiefern die Probleme, die in den Begriff hineingelegt werden, der Wahrheit entsprechen. Wenn eine Person bereit ist, Opfer zu erbringen, um anderen zu helfen, dann kann ich darin kein Problem entdecken, ganz im Gegenteil.

Danke für die Anregung und toll, dass es euch gefallen hat.

Alles Gute
Zitieren
Hey Tobi,

ganz tolles Werk. Ich gebe zu, ich bin nicht ins allerletzte Detail vorgedrungen, aber ein paar lustige Details hast Du da eingebaut:

- "kreative Inkubationszeit"
- "„Zoon Politikon“, als politisches Wesen, sich zu bemühen die Macht der ‚Mächtigen’ zu kontrollieren und gegebenenfalls zu begrenzen sowie selbst politische Macht auszuüben" - hätte vielleicht sogar Amazonia gefallen ;) ?
- "‚selbsterfüllende Prophezeiungen’" heraufbeschwören
- "Heile-Welt-Brei"

zum Helfersyndrom: ich assoziiere damit spontan eine Abhängigkeit, die bewußt durch starke Hilfeleistungen des anderen gezüchtet werden soll.

Da könnte man schon noch das eine oder andere kommentieren

meint
Apis
JUST BE - πάντα ῥεῖ

"When you perform some task without effort and take joy in the task, you will have some slight idea of All That Is." (ESP,Mai 26 1970)
Zitieren
Danke, Apis!

Mit dem "Helfersyndrom" beschäftige ich mich dann vielleicht in der überübernächsten Arbeit ;-)

Ich will kurz noch auf die Kritik eingehen, die Schmid am meisten auf sich zieht.

Vielen Philosophen ist er zu "seicht". Er hat eine einfache Sprache und schreibt inzwischen ganz offen für ein größeres Publikum. Er geht so manchem "auf die Nerven" und viele haben den Eindruck, dass er selbst einer von diesen Lebensratger-Autoren ist, was meines Erachtens aber am selektiven Lesen liegt, was in dem Seminar sein musste, wir konnten ja nicht sein ganzes Buch lesen, und an den etwas populär wirkenden Buchtiteln. Wolfgang Kersting, der schärfste Kritiker Schmids, wirft ihm vor Nietzsche und Foucault falsch auszulegen und er will überhaupt die Lebenskunst aus der Philosophie verbannen. "Wo Foucault schweigt redet Schmid unaufhörlich" (Kritik der Lebenskunst, S. 46). Lebenskunst ist für Kersting nicht Philosophie, was irgendwie suggerieren soll, dass Schmid die Philosophie nur als Lebenskunst sieht. Weiterhin wird kritisiert, dass Schmids Philosophie nicht theoretisch genug sei, d. h. es steht kein komplexes Theoriegebäude am Ende, was doch aber gerade klar ist, weil eine Lebenskunst ganz praktisch vom Individuum aus gedacht werden muss. Na ja, das ist wohl gerade Kerstings Begründung für den Ausschluss der Lebenskunst aus der Philosohie. Er hat einen etwas seltsamen Philosophie-Begriff, meines Erachtens. Er hat genau den Philosophie-Begriff, den Tash in diesem Ordner beklagte. Wenn es kein hochgestochenes Gefasel ohne praktischen Bezug ist, ist es keine Philosophie.

Ich wollte dies eben fairerweise darstellen, bevor ich Schmid empfehle:

Das Buch, was für Philosophen ausgelegt ist und ich benutzt habe.

Das gekürzte Buch (Link klappt nicht), das für das 'einfache' Publikum geschrieben ist, wobei die sprachliche Darstellung dieselbe ist, da der Autor hier nur die wesentlichen Kapitel übernommen hat sowie die sehr praktisch orientierten "Techniken der Lebenskunst". (Keine Ahnung, warum der Link nicht funkt, aber wer sich interessiert, kann ja auf die HP gucken).

Und die Homepage.

So, jetzt habe ich lange überlegt, ob ich folgende persönliche Anmerkung machen soll, mache es jetzt aber einfach:

Während ich die Arbeit schrieb, hat sich ein guter Bekannter erhangen. Ich erfuhr die Nachricht am Montag Abend, als ich etwa noch eine Seite zu schreiben hatte. Die Nachricht hat mich ebenso erschüttert wie inspiriert. Was sind das eigentlich für seltsame Synchronizitäten? Diesen Bekannten kann man zum Glück nicht als Freund bezeichnen, weshalb mich die Nachricht zwar traf, aber ich den Text am nächsten morgen zu Ende schreiben konnte und abgeben konnte. Das wirklich Blöde ist, dass ich im Moment eigentlich ziemlich glücklich bin (also vom Glücksgefühl her) und gerade gestern auf der Rückfahrt dieses 'Ganzheitsgefühl' hatte, welches einem ein Glücksgefühl beschert, ähnlich wie es Margret und andere beschrieben haben. Ich bekam dann ein etwas schlechtes Gewissen und übe mich bis morgen in der "Technik des Negativ denken" bis die Beerdigung vorbei ist. Irgendwie finde ich es total unpassend, jetzt glücklich zu sein.

Man kann daran sehen, wie sehr wir unsere Gefühle steuern können.

Alles Gute
Zitieren
Tobias schrieb:Mit dem "Helfersyndrom" beschäftige ich mich dann vielleicht in der überübernächsten Arbeit ;-)

:shock: Was? So lange müssen wir noch darauf warten? ;)

Lebenskunst aus der Philosophie verbannen?
Ein glatter Fehler.
Fast so schlimm, wie die Individualität zu leugnen!


Tobias schrieb:Wenn es kein hochgestochenes Gefasel ohne praktischen Bezug ist, ist es keine Philosophie.

**Hehehe** :D :D ...der hätte von mir sein können, als geerdeter Praktiker mit nur gelegentlichen "Höhenflugambitionen" :mrgreen:
Tash wird sich freuen :D

Tobias schrieb:(Keine Ahnung, warum der Link nicht funkt)

Der link ist wohl etwas lang geworden - da ist eine eckige Klammer vor "gekürzte", die muß weg - wie auch immer 8)

Tobias schrieb:Das wirklich Blöde ist, dass ich im Moment eigentlich ziemlich glücklich bin (also vom Glücksgefühl her) und gerade gestern auf der Rückfahrt dieses 'Ganzheitsgefühl' hatte, welches einem ein Glücksgefühl beschert, ähnlich wie es Margret und andere beschrieben haben. Ich bekam dann ein etwas schlechtes Gewissen und übe mich bis morgen in der "Technik des Negativ denken" bis die Beerdigung vorbei ist. Irgendwie finde ich es total unpassend, jetzt glücklich zu sein. Man kann daran sehen, wie sehr wir unsere Gefühle steuern können.

Ich denke, dass es dem Selbstmörder egal sein muß, ob Du gerade glücklich oder unglücklich bist. Und den vielen anderen Selbstmördern auch. Ich würde mir dadurch mein individuelles - und momentanes, vergängliches - Glücksgefühl nicht vermiesen lassen. Du bist ja nicht glücklich, weil er sich erhängt hat, das wäre wohl etwas anderes... aber die Form unserer westlichen Trauer ist eben sehr konventionell...

Auch alle guten Glücksgefühle sendet
Apis
JUST BE - πάντα ῥεῖ

"When you perform some task without effort and take joy in the task, you will have some slight idea of All That Is." (ESP,Mai 26 1970)
Zitieren
Hallo Tobi,

ich sehe das so wie Apis, daß Trauer keine Pflicht ist, wenn jemand stirbt.

Sie entspringt ja in der Regel der Trauer um den Verlust, wenn der Verstorbene einem sehr nahe stand oder sie ist Pflichtprogramm, weil es sich in unserer Gesellschaft so gehört und viele ein sehr angstvolles und negatives Verhältnis zum Thema Tod haben.

Als meine Mutter gestorben ist fand ich nichts widerwärtiger als diese Beileidsbekundungen fernerer Bekannter mit aufgesetzter Trauermiene, wo klar war, diese Leute trauern nicht wirklich, aber sie meinen, sie müßten so tun als ob. Empathie finde ich deutlich angebrachter und dafür muß keinerlei Trauer geheuchelt werden sondern der andere darf ebensogut glücklich sein, hauptsache er ist authentisch.

Wenn man den Tod nicht als etwas Schlimmes ansieht und keine starke Gefühlsbindung zu dem Verstorbenen hatte, finde ich nicht, daß man trauern MUSS, sondern man kann das auch so sehen, daß es dem Betreffenden jetzt möglicherweise besser geht.

Ich kann mir in Fällen von Suizid höchstens vorstellen, daß es rückblickend traurig ist, wenn diese Tat einem bewußt macht, wie sehr die andere Person gelitten hat, bevor sie aus dem Leben schied und wie ausweglos ihr ihre Situation erschienen sein muß. Wenn die Person einem nahe stand (was bei deinem Bekannten ja wohl nicht so der Fall war) könnte man sich dann fragen, ob man demjenigen vielleicht hätte helfen können, wenn man von dessen Situation gewußt hätte. Und damit sind wir im weitesten Sinne zurück beim Thema "Helfersyndrom".

Der Verstorbene findet es dort wo er jetzt fokussiert ist bestimmt besser, wenn du glücklich bist, vor allem wenn es aus einem Ganzheitsgefühl heraus geschieht. Von Traurigkeit hatte er sicherlich die Nase voll, sonst hätte er nicht den Entschluß gefasst, diesen letzten Ausweg zu wählen.

Die Beerdigung ist ja nochmal eine gute Möglichkeit, an ihn zu denken und dich zu verabschieden.

Liebe Grüße

Kashi

P.S.: Schön daß unser korrekter und detailgenauer Apis den Fehlerteufel in deinem link entdeckt hat. Wäre schön, wenn du das korrigierst, weil dann Folgeleser in diesem thread nicht so viel hin- und herscrollen müssen.
Zitieren
Hi,

Apis schrieb:
Zitat:Fast so schlimm, wie die Individualität zu leugnen!

Das sehe ich auch so.

Für die Länge des Links kann ich nix. Ich habe es genauso gemacht wie oben und unten auch, ich gebe das ja nicht alles zu Fuß ein. Gehört zu meiner Lebenskunst: 'Pragmatische Faulheit' :D

Im Rest gebe ich euch beiden recht. Wir haben ab und zu mal einen getrunken und die Söhne sind meine Freunde. Er war recht locker drauf, was das nochmal unterstützt, was ihr sagt, also dass er nicht will, dass ich traurig bin. Ich bin nur froh, wenn ich die Beerdigung hinter mir habe.

Alles Gute
Zitieren
Mann o Mann!

Da war ich auf leichte Lektüre zum Abendessen aus ... und was kommt? Synapsenjogging! *gg* Wenn das mal keinen Muskelkater gibt :mrgreen:


Saubere Arbeit Tobi!

Musste dein Essay allerdings stellenweise dreimal lesen, bis ich die jeweilige Aussage ganz erfassen konnte. Bist du sicher, dass jener Herr Schmidt 'für's Volk' schreibt? Wie schreiben denn dann Vollblutphilosophen? :shock:
Und das, wo mir Zeit meiner hiesigen Existenz immer ein überdurchschnittlicher IQ bescheinigt wurde :$ Da sieht man mal wieder, was diese Intelligenztests aussagen :groehl


Eine Bemerkung zu deinem Glücksgefühl - nach längeren, herausfordernden Abhandlungen (allerdings bei mir nicht ganz so anspruchsvoller Natur) spüre ich das ebenfalls sehr intensiv. Hat eine eigene Qualität, verbunden mit Ruhe und 'Stimmigkeit'. Es resultiert aus dem erfolglreichen Annähern an das kleine, harmlose Wörtchen Werterfüllung und zählt zu den schönsten Glück-verursachenden-Gefühlen. Du hast es dir hart erarbeitet, mehr als verdient - und solltest es nicht negativierten, nur weil jemand diesem Ziel offenbar mehr als fern geblieben ist (andernfalls hätte er ja nicht 'den Hut drauf gehaut' )

Gratulation zu deiner gelungenen Arbeit und mögen die Professoren dein Werk gebührend honorieren :)

Alles Liebe
Tash

P.S.: Apis hatte recht - es gäbe einiges zu debattieren ... aber ich muss erst mal mein Hirn ausrauchen lassen ;)

@ Apis

Ich habe mich gefreut!
Zitieren
Hallo Tobi,

nur ganz kurz zum Nase Rümpfen:
Tobias schrieb:Aber ich sollte sagen können: "Das finde ich richtig oder falsch", "das finde ich schön oder hässlich", "das ist gut oder schlecht".
Man kann das natürlich so sagen, doch eigentlich sind diese "Totschlägerworte" lediglich Rationalisierungen, die es im Einzelfall überflüssig machen, sich über die Hintergründe der Wahl Gedanken zu machen, weshalb man z. B. etwas gut findet, das jemand anders schlecht findet etc. – oder natürlich auch umgekehrt.

Doch eigentlich möchte ich auf dieses Thema gar nicht weiter eingehen.

Und was jetzt kommt, ist völlig OT, ich möchte es aber dennoch hier anbringen:

Heute Nacht, in einem Traum, stand ich zusammen mit einem (mir wachbewußt nicht bekannten) Mann neben einem am Boden liegenden Mann, der versucht hatte, sich zu erhängen. Er war bei seinem Suizidversuch jedoch aus dem Strick gerutscht, weil im Henkersknoten eine Sicherung eingebaut war, die bei raschem Zug die Schlinge vergrößerte. Ich hatte diese Sicherung in der Hand und untersuchte den Mechanismus, da mir die Funktionsweise nicht so recht einleuchtete.

Tobi, mir scheint, daß ich da ein paar Informationen von Dir erhalten habe 8) .

Im übrigen finde auch ich Trauer nur dann angebracht, wenn jemand einen Verlust erlitten hat und das auch als Verlust empfindet. Du weißt ja, es gibt Kulturen, in denen sind Beerdigungen Freudezeremonien, weil der Verstorbene nun ein besseres ( :lol: ) Leben hat.

Liebe Grüße
Hologramm
Zitieren
Ok, ok, ich habe vielleicht etwas selbstverständlich von Leichtigkeit gesprochen. Man muss denke ich unterscheiden zwischen komplizierten Sachverhalten und komplizierter Sprache. An komplizierten Sachverhalten kann man nix machen, an komplizierter Sprache schon. Ich empfinde Schmids Sprache als angenehm und einfach. Das kann aber auch an zwei Dingen liegen:

1. An der Übung. Texte, die ich im ersten Semester als schwer empfunden habe, fallen mir heute leichter.

2. Am 'in der Sache sein'. Ich muss am WE noch ein Hausarbeit über die Bühne bringen, wo ich bereits 5 Seiten vor 2 Monaten geschrieben habe. Als ich heute da ansetzen wollte, wo ich aufgehört hatte, musste ich feststellen, dass ich den Text nicht auf Anhieb verstehe.

Es ist natürlich auch möglich, dass ich Schmid verkompliziert habe, was eine Schwäche des Essays wäre. Es ist natürlich auch nicht so einfach, ein 500-Seiten Werk auf 9 Seiten zu verdichten, was keine Entschuldigung sein soll.

Insgesamt muss ich die Philosophen mal in Schutz nehmen und sagen, dass sie oft gar nichts dafür können. Die Sachverhalte sind kompliziert und man ist etwas 'Experte' in dem Sinne, dass man sich einfach viel damit beschäftigt (wenn mir einer erklären wollte, wie ein Auto fährt oder sowas, wäre das unglaublich schwer für mich).

Und man muss ja auch nicht alles verstehen.

Als Abschreckung für unnötige Komplikation empfehle ich Kant. Das war eine harte Schule für mich :?

Bei Schmid scheiden sich die Geister. Das erkennt man schon an den Rezensionen auf Amazon. Dem einen ist er zu schwer, dem anderen zu seicht.

Meiner Meinung nach stimmt diese Rezension, welche sich auf das 'kleine' Buch bezieht:

"Von Phrasen kann keine Rede sein. Im Gegensatz zu den bisherigen Meinungen die ich hier zu lesen bekam, bin ich überzeugt: Dieses Buch ist in vielerlei Hinsicht erfreulich. Es macht schon rein äußerlich einen sehr esthetischen und ansprechenden Eindruck, wobei dies freilich nicht das Maß aller Dinge ist. Der Autor, Wilhelm Schmid, sagt bereits im Vorwort ausdrücklich, dass er hier lediglich "ausgewählte Abschnitte" aus seinem 560-Seiten Werk "Philosophie der Lebenskunst" vorlegt. Welche Abschnitte es sind, wird im Anhang präzise dokumentiert. Zusätzlich sind drei neue Texte über Heiterkeit, Gesundheit und die Frage nach Glück enthalten, was einem aufmerksamen Leser wohl kaum entgehen dürfte. Alle Texte sind auch für den Laien elegegant und verständnisreich geschrieben, was das Buch besonders auszeichnet. Es gibt wenige Beispiele in der Philosophie dafür, dass schwierige Sachverhalte so klar dargestellt werden. Mit wenigen Worten wird sehr viel gesagt. Freilich muss der Leser dafür bereit sein, etwas in die Tiefe zu gehen und nicht nur an der Oberläche zu verweilen. Einfach wundervoll sind beispielsweise die Abschnitte über Gewohnheiten, über das Negativdenken und über die Heiterkeit. Wer noch tiefer eintauchen möchte in die Kunst des Lebens, kann sich natürlich auch die viel umfangreichere "Philosophie der Lebenskunst" zu Gemüte führen. Ich kann das nur empfehlen!"

Klarzustellen ist noch, dass die "Techniken" natürlich nicht in der Weise von: Man mache A, verbinde es mit B und C, und man wird glücklich. Ist eben so, dass das jeder selbst in die Hand nehmen muss und sich den Kopf zerbrechen muss.

Tash schrieb:
Zitat:Synapsenjogging

Du weißt, Training erschafft Synapsenverbindungen. Das schöne dabei ist: das Gehirn kann nicht platzen! :D

Zitat:Und das, wo mir Zeit meiner hiesigen Existenz immer ein überdurchschnittlicher IQ bescheinigt wurde :$ Da sieht man mal wieder, was diese Intelligenztests aussagen

Genau deshalb traue ich dir/euch das ja auch zu.

Zitat:Gratulation zu deiner gelungenen Arbeit und mögen die Professoren dein Werk gebührend honorieren

Diesmal wieder eine ProfessorIN, die waren mir bisher imnmer gut gesonnen :D

@Hologramm:

Ein Verlust ist es schon, aber kein richtig schwerer. Dass mit dem Traum ist ja sehr interessant.

Alles Gute
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste